Brüche
Beim Begriff Bruch denken wir Jäger zuvorderst an den Beutebruch und damit an den Kern des Jagdgeschehens, eben den Schuss auf Wild. Nach dem Schuss sind aber - neben dem ersehnten und selbstverständlichen Beutebruch - auch einige andere Brüche von Bedeutung. Geradezu spontan geben wir ja zu allererst dem frisch gestreckten oder bei der Nachsuche aufgefundenen Stück den letzten Bissen.
Einen Bruch längs oder quer dem erlegten Stück in den Äser, ins Gebrech, in den Brocker oder Schnabel gesteckt. In alter mystischer Betrachtung dachte man mit dieser Geste an Versöhnung mit dem getöteten Wild, das damit zur Ruhe kommen und nicht etwa bei Wiedergeburt dem Erleger zu Schaden gehen sollte. In heutiger Ansicht denken wir mit diesem Ritual gewissermaßen an eine „ewige Äsung“ für das gestreckte Wild. Einen Inbesitznahmebruch müssen wir nicht, aber dürfen wir dem brauchgerecht auf die rechte Körperseite gelegten Stück auf das linke Blatt legen. Diese Handlung war ursprünglich in der freien Jagd der Hinweis auf den Besitzanspruch des Erlegers auf das berechtigt und gerecht gestreckte Stück Wild. Oder sie diente der Kennzeichnung des Stückes, wenn es zur Herbeiholung von Hilfe zu dessen Bergung allein gelassen werden musste. In dieser Sicht ist heute der Inbesitznahmebruch weitgehend ohne Bedeutung geworden. Wir sollten aber dieses kleine Ritual noch immer vollziehen und als einen letzten Gruß und eine Respektserweisung für das getötete Wild sehen.
Und nun zu „dem“ Bruch überhaupt, eben den Beute- oder Schützenbruch. Der bei aller Freude über den Jagderfolg eigentlich erst nach den beiden eben erwähnten Brüchen vom Pirschführer, zugleich mit dem obligaten „Weidmannsheil!“, dem Schützen überreicht werden sollte. Brauchtumsgerecht wird der mit dem Schweiß des erlegten Stückes benetzte Bruch auf der Klinge des Weidmessers, so wie ehemals auf dem Weidblatt oder Hirschfänger, oder auch weniger dramatisch auf dem abgenommenen Jägerhut überreicht. Eine besonders schöne Geste übt der eine Nachsuche verursacht habende Schütze wenn er einen Teil seines Beutebruches dankbar dem erfolgreichen Hundeführer abtritt, der wiederum diesen kleinen Bruch dem braven Schweißhund an die Halsung steckt. Nichts spricht dagegen und längst Brauch geworden ist, dass der allein jagende Jäger sich selbst seinen Bruch bricht und an den Hut steckt und damit Stolz und Befriedigung über seinen Jagderfolg dokumentiert.
Dabei scheint mir durchaus legitim, wenn er sich im ureigenen persönlichen Bereich in berechtigter Befriedigung über die richtige Erlegung eines eigentlich nicht Bruch-berechtigten Stückes, und sei ein schlichtes Kitz oder Schmalreh, einen bescheidenen Bruch gewährt.
In der alten, feudalen Jagd gebührte übrigens der Bruch nur für Hirsch und Keiler, später dann für alles männliche Wild der hohen Jagd, also auch für die Hahnen der Raufußhühner. Auch für den „Mankeibären“ erhält der Schütze Almrausch, Latsche oder Zirbe. Längst wird bei der Treibjagd ein Bruch für den Fuchs oder den Schnepf gegeben und – eher selten – auch für den „Kugelhasen“ beim Riegler. Der Erlegerbruch wird üblicherweise nur am Erlegungstag oder bei Nachsuchen an jenem Tag, an dem das Wild zur Strecke kam, und obendrein höchstens 24 Stunden lang getragen. Bis zum Verwelken getragene Brüche sind unerträgliche Angabe. Es kann durchaus sein, dass unter bestimmten Voraussetzungen einem Schützen mehrere Brüche gebühren würden, doch sind zwei Brüche am Hut wohl das denkbare Höchstmaß. Vier Brüche etwa für vier im Laufe eines Tages erlegte Brunftböcke oder drei für ebenso viele beim Treiben auf Sauen gestreckte Keiler wären lächerliche Übertreibung und Protzerei! Wie wir Jäger ja überhaupt gerade bei unserem für uns selbst so wertvollen, für unsere nicht jagenden Mitbürger aber oft unverständlichen Brauchtum und bei der berechtigt gezeigten Freude an unserem jagdlichen Erfolg unbedingt Maß bewahren sollten: Also eher bescheidenere Brüche am Hut, weniger lautstarke Schilderungen der Erlegung und schon gar keine auf der Kühlerhaube oder am Heck des Geländewagens präsentierten Böcke. (Hirschtrophäen, wenn sie wirklich gut sind, müssen allerdings zwangsläufig auf dem Autodach transportiert werden und erregen dann im breiten Volke erfahrungsgemäß Häme, Missgunst und hässliche Kritik.)