Gemeinsam zum Ziel: Forst & Jagd – Motorsäge & Gewehr
Als Synonym für den Forst-Jagd-Dialog (Mariazeller Erklärung, 2012) könnte der mittlerweile in Fachkreisen oft verwendete Ausspruch „Mit Gewehr und Motorsäge“ stehen. Woher stammt dieser Ausspruch? Seit wann wird er verwendet? Hier folgt eine kurze Dokumentation zur Entstehung dieses Leitspruches, der für einen integral ausgerichteten Denkansatz zur Lösung von Wildschadensproblemen steht.
Die Wortkombination wurde in den 1990er Jahren in Vorarlberg geprägt. Ebenso wie heute beim Forst-Jagd-Dialog waren damals bei der Novellierung des Vorarlberger Jagdgesetzes Ende der 1980er Jahre zwei Ziele, nämlich die Vermeidung landeskulturell untragbarer Wildschäden an der Waldvegetation sowie die Lebensraumerhaltung für Wildtiere, wichtig. Zur Objektivierung und Sichtbarmachung der Auswirkungen des Schalenwildes auf die Waldverjüngung wurde damals landesweit ein Wildschaden-Kontrollsystem (WSKS) angelegt. Pro 50 ha Wald wurde ein Vergleichsflächenpaar mit jeweils einer wildzugänglichen und einer schalenwildsicher eingezäunten Fläche (je 6 x 6 m) im Abstand von etwa fünf bis 20 Metern nebeneinander errichtet. Diese Flächen wurden in regelmäßigen Abständen erhoben. War ein Einfluss des Wildes im Laufe der Jahre vorhanden, so wurde dieser durch den Zaunvergleich für jeden deutlich sichtbar. Aber auch andere Hemmfaktoren der Waldverjüngung wurden klarer erkennbar, dort wo sich auch im Zaun (ohne Wild) die Waldverjüngung nicht wunschgemäß entwickelte.
Bei einer Exkursion in den Bregenzerwald in den 1990er Jahren, mit Grundeigentümern, Jägern und Vertretern der Forstbehörde, wurden solche Vergleichsflächen besichtigt und Maßnahmen zur Wildschadensvermeidung diskutiert. Dabei sagte der Waldeigentümer des Exkursionsgebietes angesichts seiner Kontrollzäune und seiner Maßnahmen im Wald: „Nun habe ich es begriffen – es braucht beides, es geht nur mit Gewehr und Motorsäge gemeinsam.“ Sein Wald hatte in Bodennähe meist nur wenig Licht. Verjüngung war teilweise zwar im Wartestadium vorhanden (stetiges Ankommen und Wieder-Ausfallen von Keimligen bzw. Kleinstpflanzen), sie konnte sich aber kaum entwickeln. Der Abschuss von Schalenwild wurde in diesem Gebiet stark angehoben, aber die Waldverjüngung kam dennoch nicht im gewünschten Ausmaß, auch im Zaun nicht. Erst nach einer (ungleichmäßigen) Auflichtung des Waldes zur Förderung der Waldverjüngung konnte sich die Verjüngung von Fichte, Tanne und Laubholz gut entwickeln, innerhalb wie außerhalb des Zaunes. Dies hatte den Waldbesitzer offensichtlich überzeugt und zu seiner Feststellung bewogen.
„Eine zentrale Position im Wirkungskreis Wald-Wild-Mensch sollte im Forst-Jagd-Dialog den Grundeigentümern zukommen, die sowohl für die Jagd (als Jagdberechtigte) als auch für die Waldbewirtschaftung primär zuständig sind. Dies setzt aber entsprechende waldbauliche, wildökologische und jagdliche Kenntnisse sowie ein starkes Engagement im Forst-Jagd-Dialog voraus!
Seine persönliche Erkenntnis und sein einprägsamer Ausspruch wurden dann in der Literatur mehrmals genannt, wurden allgemein aufgenommen und werden heute immer häufiger verwendet. Auch in Oberösterreich ist diese Redewendung häufig zu hören. Der ehemalige Vorarlberger Landesjägermeister Michael Manhart hat in launiger Erinnerung an das Ereignis im Bregenzerwald sogar graphisch festgehalten, wie er sich eine kombinierte „Schieß-Motorsäge“ vorstellen könnte (Abbildung).
Stellt man die Redewendung „Mit Gewehr und Motorsäge“ auf den Prüfstand, ob ihre Aussage allgemein zutrifft oder nur ein Spezialfall zur Lösung von Wildschadensproblemen ist, so lässt sich dazu Folgendes sagen: Es gibt in der Praxis Fälle, wo in Wildschadensgebieten lediglich beim Standortsfaktor „Wild“ Maßnahmen gesetzt worden sind (Regelung von Wildbestand und/oder Wildverteilung) und allein dadurch die forstlich gewünschte Waldverjüngung auf überwiegender Waldfläche erreicht bzw. „Wald-Wild-Probleme“ auf Dauer weitgehend gelöst wurden. Umgekehrt gibt es aber auch Fälle, wo lediglich waldbauliche Maßnahmen zur Minderung der Wildschadenanfälligkeit des Waldes und zur Förderung der Waldverjüngung zum Erfolg geführt haben, ohne dass spezielle Maßnahmen beim Faktor Wild gesetzt werden mussten. Erstere Fälle traten meist dann ein, wenn bei waldbaulichen Maßnahmen der Standortfaktor Schalenwild (bewusst oder unbewusst) bereits berücksichtigt worden war und dadurch eine geringe Wildschadenanfälligkeit des Waldes durch entsprechend naturnahen Waldbau bestand sowie günstige Entwicklungsmöglichkeiten für die Waldverjüngung geschaffen wurden, wenn also von waldbaulicher Seite kaum mehr Optimierungspotential bestand.
Letztere Fälle ergaben sich vor allem dort, wo noch großes waldbauliches Optimierungspotential im Hinblick auf eine ganzheitliche Berücksichtigung der stets wirksamen Wald-Wild-Zusammenhänge bestand und dieses Potential dann durch entsprechende Maßnahmen ausgeschöpft wurde.
Meist besteht jedoch für die Herstellung eines dauerhaften „Wald-Wild-Gleichgewichts“ auf größerer Fläche ein Optimierungspotenzial sowohl auf jagdlicher als auch auf waldbaulicher Seite. Dort muss jeder der Akteure seinen Beitrag, räumlich und zeitlich gut aufeinander abgestimmt, leisten, wenn die beklagten Probleme effizient gelöst werden sollen. Traditionelle Schuldzuweisungen und „Feindbildpflege“, mit der Ablenkung von notwendigen Maßnahmen im eigenen Tätigkeitsbereich, führen hier nicht weiter, wie die vergangenen Jahrzehnte eindrücklich zeigten.
Wildstandregulierung und jagdliche Maßnahmen sollten stets auch als Teil des Waldbaues verstanden und berücksichtigt werden. Andererseits sollten Forstwirtschaft und Waldbau (neben anderen Einflussfaktoren auf das Wald-Wild-System) stärker berücksichtigen, dass sie mit ihren Maßnahmen die Lebensräume vieler Wildtierarten (nicht nur des Schalenwildes) im Hinblick auf Habitatqualität für die Tiere, die Wildschadenanfälligkeit des Waldes und die Bejagbarkeit des Wildes sehr maßgeblich beeinflussen können.
„Traditionelle Schuldzuweisungen und „Feindbildpflege“, mit der Ablenkung von notwendigen Maßnahmen im eigenen Tätigkeitsbereich, führen hier nicht weiter, wie die vergangenen Jahrzehnte eindrücklich zeigten.
Es wird sich zeigen, was der Forst-Jagd-Dialog im Sinne des Vorarlberger Waldbauern in den 1990er Jahren („Mit Gewehr und Motorsäge“) in Zukunft weiterbringen kann. Bei dem seit Jahrzehnten nachhaltig bestehenden Forst-Jagd-Konflikt und dem nun seit einigen Jahren forcierten Dialog darüber darf nicht außer Acht gelassen werden, dass unter diesem Konflikt zwar manche Menschen sehr leiden, aber dass er für andere (teilweise vielleicht unbewusst) fast unverzichtbar zu sein scheint. Die Hintergründe dafür sollten durch sozioökonomische Untersuchungen systematisch analysiert werden.
Eine zentrale Position im Hinblick auf eine integrale Maßnahmenabstimmung und effektive Fortschritte im Wirkungskreis Wald-Wild-Mensch sollte im Forst-Jagd-Dialog den Grundeigentümern zukommen, die sowohl für die Jagd (als Jagdberechtigte) als auch für die Waldbewirtschaftung primär zuständig sind. Dies setzt aber entsprechende waldbauliche, wildökologische und jagdliche Kenntnisse sowie ein starkes Engagement im Forst-Jagd-Dialog voraus!
Prof.i.R. DI Dr. Friedrich Reimoser, Universität f. Bodenkultur & Veterinärmedizinische Univ. Wien
Leopold Obermair MSc., Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft, BOKU Wien
Literaturhinweis:
Obermair, L., 2015: Waldbau und Wildschadenanfälligkeit – mit Gewehr und Motorsäge. In: Regulierung von Rot- und Schwarzwild – Herausforderungen und Hindernisse (Österr. Jägertagung 2015); Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein des BMLFUW, Irdning, Austria, S. 37-40 (ISBN: 978-3-902849-16-8).