Neue Rehwild Abschuss- und Rehbock Bewertungsrichtlinien
Vorwort von Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner: Das Rehwild ist in Oberösterreich die vorherrschende Schalenwildart. Mehr als 20.000 Oö. Jägerinnen und Jäger entnehmen schon seit Jahren mehr als 75.000 Rehe jährlich.
Daraus geht hervor, dass unser Bundesland grundsätzlich rehwildintensiv und „rehfreundlich“ ist. Daraus kann man aber auch ableiten, dass unsere Hauptwildart praktisch flächendeckend intensiv bejagt wird und in vielen Regionen besonders günstige Lebensbedingungen vorliegen. Vielfältige Hegemaßnahmen tragen ebenfalls zur allgemeinen Bestandesdynamik und Bestandesgröße bei. Die meisten unserer Jagdgebiete liegen unter einer Höhenlage von 800 m und Winterverluste sind eher die Seltenheit.
Dem gegenüber wirkt die steigende Beunruhigung in der Natur und zunehmender Lebensraumverlust negativ auf diese grundsätzlich anpassungsfähige Wildart. Ein Teil der Beunruhigung wird durch den ebenfalls flächendeckend hohen Jagddruck verursacht. Die angespannte Situation in vielen Wäldern (Stichwort notwendiger Waldumbau) stellt uns Jäger vor neue Herausforderungen im Umgang mit den Rehen. Die Forstwirtschaft und manche Grundeigentümer fordern vermehrte, gebietsweise Wildstandsreduktionen.
Die Herausforderung besteht jetzt darin, die oft festgefahrenen und vorgefassten Meinungen und die vielen fachlichen Expertisen mit den unterschiedlichen Situationen und Beteiligten in Einklang zu bringen.
Die Zielsetzung im erfolgreichen Forst- und Jagddialog bleibt es, trotz unterschiedlicher Wünsche oder Vorgaben mit guter Kooperation von Forstwirtschaft und Jagd sowie bestmöglicher fachlicher Begleitung eine Koexistenz aller Beteiligten inklusive des Wildes zu erwirken.
Die Rehbockjagd wird in unserem Bundesland mit besonderer Beachtung, Leidenschaft und Aufmerksamkeit gelebt. Die wichtigen Grundsätze wie: Alter, Altersklassen, für den Jäger erkennbare Körper- und Geweihmerkmale, die Brunftjagd sowie die anschließende Trophäenbewertung und -schau sollen uns erhalten bleiben. Diese angesprochenen Auswahlkriterien sind kein Widerspruch zu den oftmals notwendigen Regulationsbemühungen. Sie sollen aber auch gewährleisten, dass die besondere Kultur der Rehbockjagd erhalten bleibt und praktikabler, weil einfacher wird.
Die neuen Oö. Rehwild Abschuss- und Rehbock-Bewertungsrichtlinien sind ein guter und weiterentwickelter Ansatz, dieser jagdlichen Herausforderung gerecht zu werden, und die Jägerinnen und Jäger zu unterstützen. Weidmannsdank allen, die daran mitgewirkt haben.
RICHTLINIEN FÜR REHWILD
Altersklassen
Ier-Böcke
(„Ernteböcke“)
Ier-Böcke sind Böcke ab dem vollendeten 5. Lebensjahr. Ier-Böcke, die eine auf den Standort und Altersklasse überdurchschnittliche Körper- und Geweihentwicklung aufweisen, dürfen nicht vor dem 1. August erlegt werden.
Geweihgütemerkmale sind Stärke und Höhe der Stangen, Vereckung, Perlen und Rosen.
IIer-Böcke
(Mittelklasse)
IIer-Böcke sind Böcke vom vollendeten 2. Lebensjahr bis zum vollendeten 5. Lebensjahr.
Ganzjährig zu schonen sind Böcke mit einer auf den Standort und Altersklasse überdurchschnittlichen Körper- und Geweihentwicklung (siehe oben).
IIIer-Böcke
(Jährlinge)
IIIer-Böcke sind Böcke bis zum vollendeten 2. Lebensjahr.
Zu schonen sind Böcke mit auffallend guter Körper- und Geweihentwicklung. Als Faustregel für den Eingriff in die Jährlingsklasse sollte gelten, dass die nach Körper- und Geweihstärke schlechter veranlagte Hälfte der Jährlinge im Revier zu erlegen sind.
Der Abschussplan beim Rehwild ist so zu erstellen, dass beim männlichen Wild mindestens 60 Prozent des Gesamtabschusses auf die Klasse III und Bockkitze entfällt. Derselbe Grundsatz gilt für das weibliche Wild. Mit dem Abschuss soll ein Geschlechterverhältnis von 1:1 herbeigeführt bzw. erhalten werden.
Abschussdurchführung
a) ab 1. Mai:
IIIer-Böcke
b) ab 1. Juni:
Ier-Böcke, die nicht eine auf den Standort und Altersklasse überdurchschnittliche Körper- und Geweihentwicklung aufweisen,
IIer-Böcke (beachte ganzjährige Schonung im Sinne obiger Erläuterungen)
c) ab 1. August:
Ier-Böcke (die eine auf den Standort und Altersklasse überdurchschnittliche Körper- und Geweihentwicklung aufweisen.)
Abnorme Böcke haben keine gesonderte Schonzeit.
Abschuss von Geißen und Kitzen
1. Der Abschuss von Geißen und Kitzen ist wichtig und äußerst gewissenhaft durchzuführen.
2. Vom Abschuss an weiblichem Rehwild sollen bis zu zwei Drittel auf Geißkitze und mindestens ein Drittel auf Alt- und Schmalgeißen entfallen.
3. Starke, kräftige Geißen sind die Voraussetzung für einen guten Rehbestand. Schwache Stücke sind rechtzeitig zu erlegen.
Mit dem Geißen- und Kitzabschuss soll zu Anfang der Schusszeit begonnen werden, damit die Vorteile, die sich mit Anfang der Jagd bieten, genützt werden können. Gemäß der Abschussplanverordnung sind bis 15. Oktober wenigstens 50 % des Abschusses vom weiblichen Wild und Kitzen durchzuführen.
Zeitlich verzögerter Abschuss bringt Nachteile. Abschuss unter zeitlichem Druck behindert den gewissenhaften Wahlabschuss.
Das Verfärben des Rehwildes im Frühjahr und im Herbst kann ein Anhaltspunkt für den Gesundheitszustand sein. Jedoch ist die Trächtigkeit oder/und Führung von Kitzen zu berücksichtigen: Eine Geiß, die die Kitze früh verloren hat, kommt demnach früher in den Haarwechsel, obwohl diese durchaus alt sein kann.
4. Auch bei den Geißen ist die Schonung der Mittelklasse aus biologischen Gründen wichtig. Weil gesunde Geißen bis ins hohe Alter führen können, verlangt der Abschuss von Altgeißen besondere Sorgfalt. Nichtführende gesunde und starke Geißen sollen nicht unbedingt erlegt werden, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Kitze verloren haben.
5. Die tragbare Wilddichte ist nur bei entsprechend hohem Kitzabschuss (Geiß- und Bockkitze) und in der Folge Geißenabschuss zu erreichen.
6. Vorrangig sind zu erlegen:
a) schwache Geißen und Kitze, die schwächer als der Durchschnitt sind,
b) spätsetzende Geißen, ungeachtet ihrer Wildbretstärke, samt ihren Kitzen (Kitze vor der Geiß),
c) bei Zwillingskitzen das schwächere, ohne Rücksicht auf das Geschlecht.
Faustregel für den Kitzabschuss: ein Drittel männlich, zwei Drittel weiblich. Schwache Schmalrehe sollten sofort mit Anfang der Schusszeit (1. Mai) erlegt werden.
Abschussdurchführung:
a) 1. Mai:
Schmalrehe
b) 16. August:
Geißkitze, Bockkitze, Schmalrehe und Altgeißen
Richtlinien für die Bewertung von Rehbocktrophäen in Oberösterreich
I. Ziel
Eine im Sinne der Abschussrichtlinien landesweit einheitliche Vorgangsweise bei der Altersschätzung der erlegten Rehböcke und der daraus abgeleiteten Einordnung in das Beurteilungsschema grün oder rot (blau) ist zu erreichen.
II. Grundsätze
1. Bei der Altersschätzung ist neben der Zahnabnützung im Unterkiefer, der optische Eindruck der Trophäe sowie die Verknöcherung der Stirnnaht und der Schädelbasis heranzuziehen. Beim optischen Eindruck, also wie der Schütze den Rehbock hinsichtlich Geweihbildung in freier Wildbahn sieht, sind Sinken der Masse nach unten, Neigung der Rosen, Höhe der Rosenstöcke zu beurteilen. Bei der Beurteilung des Unterkiefers hinsichtlich Zahnabnützung ist der gleichmäßige Einbiss von vorne bis hinten, keine scharfen Kauränder (sogenannte „Säge“), auf die Dentinfarbe (dunkles Dentin kann auf eine geringere Zahnabnützung hindeuten – ein bis zwei Jahre höheres Alter) und auf Zahnanomalien im Unter und Oberkiefer zu achten.
2. III–er Böcke (Jährlinge)
Als Faustregel für den Eingriff in die Jährlingsklasse sollte gelten, dass die nach Körper- und Geweihstärke schlechter veranlagte Hälfte der Jährlinge im Revier zu erlegen sind. Laut Abschussrichtlinien sind daher Böcke mit einer auf dem Standort überdurchschnittlichen Körper- und Geweihentwicklung zu schonen. Es sind daher nur ausgesprochen sehr gut veranlagte Jährlinge, hinsichtlich Körper- und Geweihentwicklung, mit rot zu bewerten.
3. II-er Böcke (Mittelklasse 2-4-jährig)
Der Eingriff in die Mittelklasse ist aus wildbiologischen und schadensminimierenden (Fegeschäden) Gründen gering zu halten und soll 25 % vom Gesamtbockabschuss nicht überschreiten. Zu schonen sind Böcke mit einer bezogen auf Standort und Altersklasse überdurchschnittlichen Körper- und Geweihentwicklung. Als überdurchschnittliche Geweihentwicklung zählen Stärke und Höhe der Stangen, Vereckung, Perlen und Rosen.
4. I-er Böcke (5-jährig und älter)
Ziel ist ein 25% Anteil an I-er Böcken vom Gesamtbockabschuss.
Zeigt ein Kiefer eindeutig ein Alter von 4 Jahren und spricht der optische Eindruck des Geweihes, wie Sinken der Masse nach unten, Neigung der Rosen, niedere Rosenstöcke, für 5 Jahre, ist die Bewertung mit 5 Jahren vorzunehmen. Auf dem Geweihanhänger ist von der Bewertungskommission folgender Vermerk anzubringen: Kiefer 4, optischer Eindruck 5 Jahre.
5. Böcke mit abnormer Geweihbildung
Sind gleich zu bewerten wie andere Rehböcke.
Mehrendigkeit heißt nicht automatisch abnorm, sie kann auch ein Gütezeichen sein.
6. Zwangsabschüsse
Bei von der Bezirksverwaltungsbehörde angeordneten Zwangsabschüssen ist die Bewertung mit „blau“ vorzunehmen.
7. Unfallböcke
Trophäen der Unfallböcke sind mit „blau“ zu bewerten.
8. Schadböcke
Schadböcke sind Böcke, die erheblichen Schaden in Forstkulturen (Fegeschäden) oder in landwirtschaftlichen Kulturen verursachen.
Die Trophäen sind mit blau zu bewerten.
9. Oberkiefer/Unterkiefer
Laut Beschluss des Landesjagdausschusses sind die Trophäen der I-er und II-er Böcke mit Oberkiefer vorzulegen. Beide Unterkieferäste sind vorzulegen.
10. Trophäenschau
Die Trophäenschau beim Bezirksjägertag soll zugleich eine Lehrschau sein und einen repräsentativen Überblick des Bezirkes liefern.
11. Teilnahme der Jagdleiter und Hegeringleiter
Die Jagdleiter und Hegeringleiter (sofern solche bestellt wurden) sollen bei der Bewertung der Trophäen ihres Jagdgebietes bzw. ihres Hegeringes persönlich teilnehmen.