Neue Vorschriften – Bejagung von Rabenkrähen und Elstern
Auszug aus dem geänderten OÖ Jagdrecht
Ein Artikel von Dr. Werner Schiffner, MBA, Foto: Ch. Hanl
Quelle: OÖ. Jäger Nr. 151 (Juni 2016),
Dieser Artikel ist aus dem Jahr 2016! Die aktuelle Verordnung finden Sie unter https://www.ooeljv.at/home/rund-um-die-jagd/gesetz-und-richtlinien/
a) Allgemeines
Rabenkrähen und Elstern sind gemäß § 5 Z. 2 der Oö. Artenschutzverordnung geschützte Tiere im Sinn des § 28 Abs. 3 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (Oö. NSchG 2001). Geschützte Tiere dürfen in allen ihren Entwicklungsformen nicht verfolgt, beunruhigt, gefangen, befördert, gehalten oder getötet werden. Der Verkauf, das Halten für den Verkauf und das Anbieten zum Verkauf dieser Tiere ist unabhängig von deren Alter, Zustand oder Entwicklungsform verboten. Dies gilt sinngemäß auch für erkennbare Teile oder aus diesen gewonnenen Erzeugnissen. Der Schutz gilt im gesamten Landesgebiet und ganzjährig.
Dem Bericht der österreichischen Bundesländer ist zu entnehmen, dass der Brutbestand der Rabenkrähe in Österreich derzeit 100 000-150 000 Brutpaare beträgt. Der Bestand für Oberösterreich wird dabei mit 18 000-26 000 Paaren hochgerechnet. Aus der Literatur ergibt sich, dass bei Rabenkrähen in Mitteleuropa im Schnitt 1,5 Jungvögel pro Brutpaar flügge werden. Zusätzlich kommen Nichtbrüter in nennenswerter Zahl vor, da Rabenkrähen in der Regel erst ab dem 3. Kalenderjahr zu brüten beginnen.
Unter der Annahme, dass jüngere Rabenkrähen einer erhöhten Sterblichkeit von etwa 50 % unterliegen, wird angenommen, dass nach einem Jahr etwa 50 % der vorjährigen und 25 % der zweijährigen Jungvögel noch leben. Daraus ergibt sich nach Flüggewerden der Jungvögel etwa im Juli eines Jahres ein geschätzter Bestand von etwa 36 000-52000 Brutvögeln, 27 000-39 000 diesjährige Jungvögel und 20 000-30 000 Nichtbrütern. Insgesamt wird daher als Höchststand ab Juli eines Jahres der Bestand der Rabenkrähe in Oberösterreich nach derzeitigem Kenntnisstand grob auf etwa 80 000-120 000 Individuen, also eine hohe Bestandsdichte, geschätzt.
Seit Jahren zeigen die Erfahrungen von Jägern und Landwirten, dass praktikable Vergrämungs- und Schutzmaßnahmen Schäden nicht wirksam verhindern konnten und daher die Bestandsreduktion zur Abwendung dieser Schäden erforderlich ist.
Dementsprechend wurden seit dem Jahr 2007 aufgrund von Anträgen Ausnahmebewilligungen für die Entnahme von Rabenkrähen in einem bestimmten Ausmaß erteilt, um das Problem der erheblichen Schadeinwirkung durch die Rabenkrähe in der Landwirtschaft hintanzuhalten. In einem parallel dazu durchgeführten Monitoring für Rabenkrähen- und Elsternbestände, beginnend erstmals mit der Brutsaison 2009, wurde belegt, dass der günstige Erhaltungszustand bei Einhaltung bestimmter Abschussquoten erhalten bleibt.
Auch das im Jahr 2015 durchgeführte Monitoring brachte im Ergebnis, dass die bisher jährlich entnommenen Rabenkrähen von ca. 19 000 Exemplaren zu keiner Reduzierung des Bestands der Rabenkrähe und des Verbreitungsbildes geführt hat.
Die durchgeführten Kontrollen ergaben, dass die bisher zulässigen Entnahmen durch Abschuss, Beizjagd und Fang mit der Falle eine plausible Maßnahme zur Abwendung der erheblichen Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Kulturen, aber auch zum Schutz von Niederwildarten wie Hase, Fasan und Rebhuhn und Raufußhuhnarten wie Birkwild, Rackelwild und Auerwild darstellen.
Die Elster (Pica pica) ist ein in ganz Europa weit verbreiteter, stellenweise häufiger Brutvogel des Flach- und Hügellandes. Die Vogelart besiedelt ganz Oberösterreich bis zu einer Höhe von ca. 600 m. Die Elstern bevorzugen reich strukturierte Landschaften mit Hecken, Obstgärten, Ufer- und Feldgehölzen.
Für das Bundesland Oberösterreich wird der Brutbestand auf ca. 10 000 Brutpaare geschätzt. Die Populationsentwicklung ist aufgrund der Habitatsveränderungen und des Jagddruckes eher als gleichbleibend anzusehen. Die Art gilt in ihrem Bestand weder in Oberösterreich noch in den anderen Bundesländern als gefährdet.
Auch das im Jahr 2015 durchgeführte Corvidenmonitoring Oberösterreich bestätigt, dass die Siedlungsdichten im Wesentlichen gleich geblieben sind.
Bisher wurden auf der Grundlage von Ausnahmebewilligungen rd. 2 500 Elstern pro Jahr zum Schutz von Niederwildarten und Raufußhühnern entnommen, ohne dass eine Beeinträchtigung des günstigen Erhaltungszustands der Art festgestellt werden konnte.
Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre kann somit abgeleitet werden, dass für Rabenkrähen und Elstern weder ein landesweiter noch ein ganzjähriger Schutz entsprechend der Oö. Artenschutzverordnung erforderlich ist.
Daher wurde nachstehende Änderung der Oö. Artenschutzverordnung von der Oö. Landerregierung beschlossen und im Landesgesetzblatt Nr. 20/2016 verlautbart. Sie ist mit 1. April 2016 in Kraft getreten.
b) Neuer § 8a der Oö. Artenschutzverordnung – Sonderbestimmungen betreffend Rabenkrähen und Elstern (Verordnungstext):
Der Schutz gemäß § 28 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 gilt für Rabenkrähen (corvus corone corone) und Elstern (pica pica) nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
1. Das Fangen und/oder Erlegen von Rabenkrähen ist in der Zeit von 1. Juli bis 28./29. Februar, das Fangen und/oder Erlegen von Elstern ist in der Zeit von 1. August bis 28./29. Februar außerhalb von Naturschutzgebieten, des Gebiets des Nationalparks und von Vogelschutzgebieten (Art. 4 Abs. 1 vierter Satz der Vogelschutz-Richtlinie) erlaubt.
2. Das Fangen und/oder Erlegen von Rabenkrähen und Elstern ist nur durch befugte Jägerinnen und Jäger mit hiefür geeigneten Jagdwaffen, durch Beizjagd oder unter Verwendung der nordischen Krähenfalle oder des kleinen Elsternfangs erlaubt.
3. Bei Verwendung der nordischen Krähenfalle ist ein Mindestmaß der Grundfläche von 3 m x 2 m und der Höhe von 1,95 m einzuhalten. Durch die in 1,5 m Höhe angebrachten Einflugöffnungen entlang der Mittellinie des Daches hat die Falle eine entsprechende Abschrägung der Dachkonstruktion aufzuweisen. Die Maschenweite hat auf allen Flächen mindestens 4 cm bis max. 4,5 cm, die Drahtstärke etwa 3 mm zu betragen. Auf jeder Seite ist in der Höhe von ca. 1,2 m eine Sitzstange anzubringen. Die Einfluglöcher dürfen max. 32 cm x 32 cm groß sein, wobei diese durch entsprechend lange, glatte, an den Enden abgerundete Rundstäbe, die schräg nach unten weisen, auf 16 cm einheitlich zu verringern sind. Zum Entleeren der Fallen sind individuell gestaltete Eingangstüren einzubauen.
4. Bei Verwendung des kleinen Elsternfangs darf eine Mindestgröße von 40 cm x 40 cm x 40 cm nicht unterschritten werden. Die Maschenweite hat mindestens 3 cm x 3 cm zu betragen.
5. Die Fallen müssen täglich kontrolliert werden. Beifänge sind sofort freizulassen.
6. Die Tötung der gefangenen Rabenkrähen und Elstern hat in nicht qualvoller Weise, rasch und schmerzlos zu erfolgen.
7. Die Standorte der Fallen sind parzellenscharf sofort nach dem fängischen Aufstellen der bzw. dem jeweiligen Jagdausübungsberechtigten bekanntzugeben. Die bzw. der Jagdausübungsberechtigte hat auf Verlangen der Behörde bzw. deren Organe die entsprechenden Auskünfte zu erteilen.
8. Außerhalb der in Z 1 genannten Zeiträume sind die Fallen entweder zu entfernen oder nicht fängisch zu stellen. Dabei sind die Fallen so abzusichern, dass sie nicht absichtlich oder unabsichtlich fängisch gestellt werden können.
9. Außerhalb der in Z 1 genannten Zeiträume dürfen nur nicht brütende, in Gruppen auftretende Rabenkrähen, so genannte Junggesellentrupps, abgeschossen werden.
10. Landesweit dürfen pro Jagdjahr 23 000 Rabenkrähen und 2 500 Elstern entnommen werden. Bei einem Nachweis außergewöhnlicher Schadenssituationen ist die Entnahme von weiteren 5 000 Rabenkrähen zulässig.
11. Die Anzahl der monatlich entnommenen Rabenkrähen und Elstern ist von der bzw. dem jeweiligen Jagdausübungsberechtigten bis zum fünften Tag des Folgemonats an den Landesjagdverband bekanntzugeben. Dieser hat in geeigneter Weise die Jagdausübungsberechtigten vom Erreichen der in Z 11 festgelegten Höchstanzahl zu unterrichten. Spätestens am 30. April jeden Jahres hat der Landesjagdverband die jährlichen Gesamtzahlen, aufgeteilt nach den politischen Bezirken, der Oö. Landesregierung als Naturschutzbehörde zu melden.“
Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
Anmerkung: Nach § 56 Abs. 1 Z. 8 Oö. NSchG 2001 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.000,00 Euro zu bestrafen, wer den oben im § 8a Oö. Artenschutzverordnung umschriebenen Schutzbestimmungen zuwiderhandelt.
c) Erläuterungen zur Verordnung:
Nach § 12 der Oö. Artenschutzverordnung ist die Verwendung nicht selektiver Fang- und Tötungsmittel verboten. Darunter fallen grundsätzlich auch alle Fangfallen.
Damit die Entnahme von Rabenkrähen und Elstern mit der durchaus gebräuchlichen nordische Krähenfalle bzw. dem Elsternfang durchgeführt werden kann, ist die Verwendung dieser Fangfallen entsprechend zu reglementieren, damit die Selektion durch entsprechende Bauweise und Größe der Fallen bzw. der Kontrolle durch den Menschen gewährleistet ist.
Die Möglichkeit zur Bejagung von Rabenkrähen und Elstern unter Verwendung von Fallen ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil eine effiziente Reduktion der genannten Arten zur Erreichung der genannten Zielsetzungen anders nicht möglich ist. Durch den bloßen Beschuss wird vielfach nur eine kurzfristige Vertreibung der Tiere erreicht, aber kein nachhaltiger Einfluss auf deren Bestandsdichte. Aus diesem Grund besteht zu einer Bejagung mittels Krähenfalle und Elsternfang keine Alternative.
Die Fallen dürfen nur während der in Z 1 erlaubten Entnahmezeiträume verwendet werden. Die Bejagung von Junggesellentrupps der Rabenkrähe außerhalb dieser Zeiten darf ausschließlich durch Abschuss erfolgen.
Sofern die Fallen außerhalb der erlaubten Einsatzzeiten nicht entfernt werden, muss dafür Sorge getragen werden, dass mit ihnen nicht gefangen werden kann. Das „Nichtfängisch- Stellen“ ist dadurch zu gewährleisten, dass die Türen der Fallen mit einem Schloss entsprechend gesichert dauerhaft geöffnet bleiben.
Der günstige Erhaltungszustand der Rabenkrähen wurde durch die bisher durchgeführte Entnahme von rund 19 000 Exemplaren nicht gefährdet. Ausgehend von einer geschätzten Bestandszunahme im Ausmaß von bis zu 25 % wurde fachlich eingeschätzt, dass auch eine Erhöhung der Entnahmezahlen auf 23 000 Exemplare zu keiner deutlichen Bestandsabnahme der Rabenkrähe in Oberösterreich führen wird.
Sollte sich eine außergewöhnliche Schadenssituation ergeben und ist dies entsprechend nachgewiesen (Bestätigung der Bezirksbauernkammer, Fotodokumentation der Schadenssituation), ist die Entnahme von weiteren 5 000 Rabenkrähen zulässig.
Eine Prognose über die Auswirkungen bei Ausschöpfen der höchstzulässigen Entnahme kann derzeit fachlich seriöser weise nicht getroffen werden. Allerdings wird die Bestandsentwicklung der Rabenkrähe in Oberösterreich durch entsprechende Zählungen weiter verfolgt und kann durch die Befristung der gegenständlichen Verordnung noch rechtzeitig gegengesteuert werden, sofern der günstige Erhaltungszustand der Rabenkrähe gefährdet wäre.
Nachdem wie oben dargestellt bei den Elstern die Populationsentwicklung eher gleich bleibt, ist die maximale Entnahmemenge auf jene zu beschränken, die auch bisher nachgewiesenermaßen keinen nachteiligen Einfluss auf den Bestand der Vogelart Elster in Oberösterreich gezeitigt hat.
Damit die höchstzulässige Entnahmezahl nicht überschritten wird, hat der jeweilige Jagdausübungsberechtigte monatlich die Anzahl der erlegten Vögel (getrennt nach Rabenkrähen und Elstern) an den Landesjagdverband zu melden. Dieser teilt die Jahresgesamtmenge spätestens am 30. April eines jeden Jahres, getrennt nach den einzelnen Bezirken der Landesnaturschutzbehörde mit.
Die Meldeverpflichtung über die Anzahl der entnommenen Rabenkrähen und Elstern dient der Kontrollmöglichkeit durch die Naturschutzbehörde und ist für die jährliche Berichterstattung an die Europäische Kommission erforderlich.
Die Befristung der Verordnung ist erforderlich, um die Auswirkungen der Einschränkung der Schutzbestimmungen für die beiden Vogelarten zu beobachten und entsprechende Reaktionen setzen zu können.
Der Verordnungsentwurf hat aus den Reihen der Tierschutzorganisationen eine Welle des Protests hervorgerufen. In rund 250 Stellungnahmen wurde grundsätzlich die Verfolgung und Tötung von Rabenvögeln und Elstern abgelehnt.
Diese Haltung ist zwar aus Tierschutzüberlegungen nachzuvollziehen, in artenschutzrechtlicher Hinsicht ist allerdings gegen die Regulierung der Rabenkrähen- und Elsternbestände nichts einzuwenden, weil durch die zulässigen Entnahmemengen der Bestand dieser Arten nicht gefährdet ist. Die Abweichung vom strengen Schutz für die genannten Vogelarten erfolgt im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten und entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben der Vogelschutz-Richtlinie.
Im Gegensatz dazu haben sowohl die Landwirtschaftskammer OÖ als auch der Landesjagdverband den Verordnungsentwurf zustimmend mit einigen Ergänzungswüschen zur Kenntnis genommen.
So wurde die festgelegte Bauart der nordischen Krähenfalle angesprochen. Die Normierung dieser Fallenart wird deshalb vorgenommen, um allfällige Schäden an Krähen und weiteren geschützten Vogelarten zu minimieren. Der rechtlich geforderte Status einer selektiven Falle wird damit am ehesten gewährleistet. Auch bisher wurden die von Jagdseite als taugliche Fallenart bezeichnete Nordische Krähenfalle mit den entsprechenden Ausmaßen, Maschenweiten und Drahtstärken in den Ausnahmebewilligungsbescheiden vorgeschrieben und bisher nicht beanstandet. Die vorgegebene Mindestmaschenweite soll möglichst vielen unbeabsichtigt in die Falle geratenen Vögeln ein Entweichen ermöglichen, die Drahtstärke von drei Millimetern soll Verletzungen von Vögeln am Gefieder verhindern. Die bisher als praktikabel erkannte Bauart soll daher beibehalten werden.
Eine Erhöhung der Entnahmemenge für Elstern kann fachlich nicht begründet werden. Auf Grund des durchgeführten Corvidenmonitorings ist davon auszugehen, dass der günstige Erhaltungszustand bei den Elstern durch die Entnahme von 2 500 Stück nicht gefährdet ist. Die derzeitige Bestandsentwicklung lässt diese Prognose im Falle einer Entnahme von 5000 Elstern nicht zu.
Aus Sicht des Tierschutzes werden bei der Verwendung eines lebenden Lockvogels in der Falle zwar Aspekte des Tierschutzgesetzes berührt, die Verordnung enthält dazu aber keine Vorschriften, weil derartige Regelungen nicht im Anwendungsbereich des Naturschutzrechts liegen. Wohl ist aber bei der Bejagung mit der Falle auf tierschutzrechtliche Vorschriften Bedacht zu nehmen.
Foto: Ch. Böck