OÖ. Jagdgesetz-Novelle 2016
Mit der Jagdgesetz-Novelle 2016 werden einerseits Deregulierungsmaßnahmen umgesetzt und Klarstellungen und Anpassungen vorgenommen, andererseits werden Neuerungen im Bereich der Wildschadensregelung und Erweiterungen im Zusammenhang mit der Entziehung von Jagdkarten vorgenommen.
Von HR Dr. Werner Schiffner MBA
Im Wesentlichen betrifft die OÖ. Jagdgesetz-Novelle 2016, LGBl. Nr. 83/2016, die am 30. Dezember 2016 in Kraft getreten ist, folgende Bereiche:
1. Wegfall der behördlichen Arrondierung von Jagdgebieten:
Die Arrondierungsverfahren (behördlich verfügte Abrundung von Jagdgebieten) gestalteten sich vielfach sehr aufwändig und der Beweis der jagdwirtschaftlichen Notwendigkeit war oft sehr schwierig. Häufig wurde auch das Landesverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof angerufen.
Ungeachtet dessen besteht daneben jedoch die Möglichkeit, dass die Jagdausübungsberechtigten benachbarter Jagdgebiete ohnehin für die Dauer der Jagdperiode wirksame Vereinbarungen über geringfügige Bereinigungen mit dem Ziel der Erleichterung der Jagdausübung treffen konnten.
Mit dem Entfall der behördlichen Arrondierung kann eine große Anzahl aufwändiger Behördenverfahren eingespart werden.
2. Jagdgebietsfeststellungen sind nicht mehr erforderlich, wenn sich an der Fläche nichts geändert hat:
in jenen Fällen, in denen keine Änderungen bei Eigenjagdgebieten und auch sonst keine Änderungen gegenüber der zuletzt ergangenen Jagdgebietsfeststellung (bzgl. genossenschaftlichem Jagdgebiet, Jagdanschluss, Jagdeinschluss) eintritt oder beantragt wird, ist keine bescheidmäßige Jagdgebietsfeststellung mehr erforderlich. Die Behörden ersparen sich damit die Erlassung einer Vielzahl von Bescheiden.
3. Jedes genossenschaftliche Jagdgebiet braucht einen eigenen Jagdausschuss:
Für jedes selbständige genossenschaftliche Jagdgebiet muss es einen eigenen Jagdausschuss geben. Bestehen mehrere genossenschaftliche Jagdgebiete in einer Gemeinde für die kein eigener Jagdausschuss eingerichtet ist, sind diese spätestens mit Beginn des übernächsten Jagdjahres als ein genossenschaftliches Jagdgebiet festzustellen und für die restliche Dauer der Jagdperiode neu zu verpachten. Damit dieser Fall nicht eintritt, muss für jedes selbständige genossenschaftliche Jagdgebiet in einer Gemeinde rechtzeitig ein eigener Jagdausschuss eingerichtet werden.
Im Fall der Zusammenlegung von Gemeindegebieten gelten ab Rechtswirksamkeit der Zusammenlegung die Eigenjagd- und die selbständigen genossenschaftlichen Jagdgebiete als Jagdgebiete der neuen Gemeinde weiter. Rechtskräftig festgestellte Jagdgebiete und gültige Jagdpachtverträge gelten jedenfalls bis zum Ablauf der am längsten währenden Jagdperiode weiter. Alle genossenschaftlichen Jagdgebiete haben dann dieselbe Dauer der Jagdperiode.
Beispiel: Im genossenschaftlichen Jagdgebiet A einer zusammengelegten Gemeinde endet die Pachtperiode am 31.3.2020, im genossenschaftlichen Jagdgebiet B am 31.3.2021. Dann gilt der Jagdpachtvertrag für das Jagdgebiet A automatisch bis 31.3.2021 weiter und ab 1.4.2021 ist die Dauer der Pachtperioden beider Jagdgebiete gleich.
Auch die Jagdausschüsse bleiben bestehen. Eine allfällige Zusammenlegung selbständiger genossenschaftlicher Jagdgebiete muss extra von den jeweiligen Jagdausschüssen beschlossen werden.
4. Neuregelung der Entziehung der Jagdkarte:
Wer Exemplare einer geschützten wildlebenden Tierart (z.B. Luchs) entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag tötet, besitzt oder deren Entwicklungsformen zerstört oder aus der Natur entnimmt (vorsätzliche Schädigung des Tier- und Pflanzenbestandes – § 181f StGB) ist u.a. mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen,
Im Hinblick auf die mit einer strafbaren Handlung gemäß § 181f StGB verbundenen durchwegs negativen Auswirkungen auf die geschützten Tierarten ist im Fall der strafgerichtlichen Verurteilung nunmehr eine zeitlich angemessene Verweigerung oder Entziehung der Jagdkarte bis zu sieben Jahren möglich.
Im Hinblick auf den mit der Jagdausübung unabdingbaren Umgang mit Schusswaffen kommt auch der Verlässlichkeit im Sinn des § 8 des Waffengesetzes 1996 besondere Bedeutung zu. Nunmehr führt die Verhängung eines Waffenverbotes jedenfalls dazu, dass Besitzern einer Jagdkarte diese mangels Verlässlichkeit für die Dauer des Waffenverbotes entzogen wird.
5. Einvernehmliche Vereinbarung bei der Anlage von Futterplätzen für Rotwild möglich:
Auf Grund der topographischen Situation in Hochwildgebieten ist es vielfach sehr schwierig, bei der Anlage von Futterplätzen den Abstand von 300 Meter zur Jagdgebietsgrenze einzuhalten. Die Jagdausübungsberechtigten benachbarter Jagdgebiete können daher einvernehmlich vereinbaren, dass dieser Abstand unterschritten werden darf.
Dies gilt allerdings nicht für Rehwildfütterungen!!
6. Änderung der Zuständigkeit bei der Bewilligung der Jagd auf Rotwild zur Nachtzeit:
Bisher lag die Zuständigkeit zur Entscheidung über Anträge auf Bewilligung der Jagd auf Rotwild zur Nachtzeit beim Landesjägermeister. Auf Grund der zunehmenden Komplexität dieser Verfahren wurde die ursprüngliche Zuständigkeit der Landesregierung wieder hergestellt.
7. Neuregelung der Kostenaufteilung in Jagd- und Wildschadenangelegenheiten:
siehe dazu die Ausführungen von Rechtsanwalt Mag. Walter Scheinecker:
Neuregelung der Kostenaufteilung
in Jagd- und Wildschadenangelegenheiten
von Mag. Walter Scheinecker
Das Thema Wildschaden ist medial präsent wie selten zuvor. Vermutlich nicht zuletzt auch deshalb, weil schon wieder vereinzelte Bestrebungen laufen, die mit der letzten Jagdgesetznovelle umgesetzte, sachlich gerechtfertigte Neuregelung zur Kostentragung im Wildschadenprozess als Rechtsverlust aller Grundbesitzer darzustellen und damit Ängste zu schüren. Der zunehmende Trend zu überhöhten Wildschadensforderungen einzelner Grundeigentümer machte es jedoch notwendig, die sonst weitgehend funktionierende Abhandlung von Wildschadensangelegenheiten mit einer Gesetzesänderung zu festigen und überzogene Forderung mit Kostenfolgen zu sanktionieren.
Doch welche Auswirkungen zeigt die „Kostennovelle“ wirklich? Der folgende Bericht soll einen Überblick zur alten und neuen Rechtlage darstellen.
Alte Rechtslage (für vor dem 30.12.2016 gerichtsanhängige Verfahren):
Bis zur Jagdgesetznovelle 2016 war die Kostentragung im gerichtlichen Wildschadensverfahren, welches aufgrund eines Antrags einer Partei gegen die (Vor)Entscheidung der zunächst zwingend anzurufenden örtlichen Wildschadenskommission eingeleitet wird, aufgrund eines Verweises in § 77 Abs 1. OÖ. JagdG sinngemäß nach der Kostenregelung des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes (EisbEG) zu entscheiden.
§ 44 EisbEG lautet:
§ 44. (1) Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen werden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten.
(2) Im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Entschädigung hat der Enteignete auf der Grundlage des von ihm ersiegten Entschädigungsbetrages Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen, durch das Gerichtsverfahren verursachten Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung. Als ersiegter Entschädigungsbetrag ist die Differenz zwischen dem gerichtlich zugesprochenen Entschädigungsbetrag und jenem Betrag anzusehen, den der Enteignungswerber zu leisten offenkundig bereit war. § 41 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 und Abs. 3 ZPO ist anzuwenden.
Im Ergebnis führte die Regelung immer dazu, dass ohne ungerechtfertigtes Einschreiten eines potentiell Geschädigten (Grundbesitzer/Pächter) die Gerichtskosten (insb. Sachverständigen-, Zeugen-, Gerichtsgebühren) im vollen Umfang durch den Jagdausübungsberechtigten zu ersetzen waren. Zudem waren die Vertretungskosten nur einseitig vom Jagdausübungsberechtigten an den Geschädigten auf Basis des diesem zugesprochenen Betrages zu ersetzen (Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht; Anm: Die Höhe der anwaltlichen Vertretungskosten bemisst sich am jeweiligen Streitwert). Nur bei gerichtlich festgestelltem ungerechtfertigten Einschreiten ist der Ersatz jeglicher Gerichts-, Sachverständigen- und Vertretungskosten an den Geschädigten entfallen, aber selbst in einem solchen Fall ist nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu
§ 44 EisbEG keine Kostenersatzpflicht des Anspruchstellers an den Jagdausübungsberechtigten eingetreten.
Die Gerichtspraxis hat mir gezeigt, dass ein ungerechtfertigtes Einschreiten selbst bei mehrfacher Überschreitung des begehrten Schadensbetrages im Verhältnis zum letztlich zuerkannten Schadensbetrag gerichtlich nicht angenommen wurde. Die Belastung der Jägerschaft durch die eigenen Vertretungskosten, die mangels anderslautender Honorarvereinbarung auf Basis des vom Geschädigten begehrten und nicht des oftmals nur mit einem Bruchteil zugesprochenen Betrages bemessen werden, blieb bisher aber in jedem Fall neben den Sachverständigenkosten als größter Kostenfaktor bestehen. Allenfalls wäre es einem Jagdausübungsberechtigten aus juristischer Sicht (nur) freigestanden, in einem anzustrengenden Folgeprozess (mit weiterem Kostenrisiko) die eigenen Vertretungskosten als Schadenersatz gegenüber dem Anspruchsteller geltend zu machen.
Diese Ungleichgewichtung bei der Kostentragung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass zunehmend – quasi ohne oder mit geringem Kostenrisiko – durch Geschädigte überhöhte Schadensforderungen gestellt wurden. Dies vermutlich auch in dem Wissen, dass die sofortige Bezahlung einer überhöhten Forderung für die Jägerschaft letztlich kostengünstiger sein konnte als eine gerichtliche Austragung. Die (einseitig) für den Jagdausübungsberechtigten anfallenden Kosten haben nämlich rasch einen abgewehrten Betrag überstiegen und somit die (eigentlich berechtigte) Streiteinlassung unwirtschaftlich gemacht. Kosten sind bzw. waren in diesen Verfahren nicht unüblich ein Vielfaches höher als der zugesprochene Wildschadensbetrag. In einem im Jahr 2016 abgehandelten Verfahren war das Verhältnis der letztlich verglichenen Wildschadenszahlung zu den Gesamtverfahrenskosten ca. 1:9.
Neue Rechtslage (für ab dem 30.12.2016 gerichtsanhängige Verfahren):
Die aufgezeigten, oftmals mit den letztlich zuerkannten Schadensbeträgen im krassen Widerspruch stehenden Kostenergebnisse und die seitens des OÖ. Landesjagdverbandes mit Nachdruck erhobene und nachvollziehbare Forderung, einem Grundeigentümer aufgrund seines Sach- und Fachwissens die Einschätzung eines Schadens im gewissen Rahmen zumuten zu können, hat zu umfangreichen Verhandlungen zwischen Vertretern der OÖ. Landwirtschaftskammer und des OÖ. Landesjagdverbandes unter dem Vorsitz der Juristen des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Land- und Forstwirtschaft geführt. Im Ergebnis wurde einvernehmlich die Notwendigkeit einer Neuregelung zur Beschneidung überschießender Forderungen und zur Stärkung der auf breiter Basis funktionierenden Beziehungen zwischen Grundeigentümern und Jägern erkannt und die Änderung mit breiter politischer Zustimmung umgesetzt.
Die Neuregelung betrifft ausschließlich den Kostenersatz im (nachgeschalteten) gerichtlichen Verfahren. Die Kostenregelungen für Verhandlungen der Wildschadenkommission bleiben unberührt (Parteien haben dort ihre Vertretungskosten selbst zu tragen (!), die Amtskosten werden je nach Verfahrensausgang zugeteilt – vgl. § 77 Abs. 2 bis Abs. 5 OÖ JagdG). Zudem ist erforderlich, dass die Anrufung des Gerichts durch den Geschädigten erfolgt.
Bei einer Antragstellung durch den Jagdausübungsberechtigten mangels Akzeptanz der Entscheidung der Wildschadenkommission bleibt es bei der oben beschriebenen „alten“ Rechtslage.
Die Neuregelung in § 77 Abs. 1 OÖ. JadgG lautet auszugsweise wie folgt:
Im gerichtlichen Verfahren ist das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG), BGBl. Nr. 71/1954, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 111/2010, sinngemäß anzuwenden. Abweichend von § 44 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz ist im Fall der Antragstellung durch die geschädigte Partei bei einem festgestellten Entschädigungsbetrag in Höhe von zumindest der Hälfte des begehrten Entschädigungsbetrags § 43 Abs. 2 ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2015, bei einem festgestellten Entschädigungsbetrag von weniger als der Hälfte der begehrten Entschädigung § 43 Abs. 1 ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2015, bzw. § 41 Abs. 1 ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2015, sinngemäß anzuwenden.
Fordert der Geschädigte (insgesamt) nicht mehr als das Doppelte des letztlich festgestellten Betrages oder anders formuliert, wird zumindest die Hälfte des begehrten Entschädigungsbetrages festgestellt, kommt aufgrund der gesetzlichen Neureglung § 43 Abs. 2 ZPO zur Anwendung. Durch diese Bestimmung tritt keine wesentliche Änderung in der Kostentragung ein. Dem Geschädigten sind die Vertretungskosten auf Basis des festgestellten (zuerkannten) Betrages und (streitwertunabhängige) Kosten (insb. Sachverständigengebühren) im vollen Umfang zu ersetzen. Die eigenen Vertretungskosten sind (wie bisher) selbst zu tragen. Der Zweck dieses (weiter bestehenden) Kostenprivilegs liegt darin, dass die Höhe der Forderung aufgrund besonderer Umstände (Ausmittlung durch einen Sachverständigen) nicht exakt feststellbar ist und eine Mehrforderung im bestimmten Rahmen toleriert wird (siehe unten Beispiele 1 und 2).
Fordert der Geschädigte allerdings mehr als das Doppelte des letztlich festgestellten Betrages oder anders formuliert, wird weniger als die Hälfte des begehrten Entschädigungsbetrages festgestellt, hat er sich „überklagt“ und es kommt nach
§ 43 Abs. 1 ZPO zu einer Kostenentscheidung nach der jeweiligen Erfolgs- bzw. Obsiegensquote (siehe unten Beispiele 3 und 4). In diesen Fällen wird der Geschädigte kostenersatzpflichtig.
Erhält der (vermeintlich) Geschädigte keinen Zuspruch, muss er dem Jagdausübungsberechtigten nach § 41 Abs. 1 ZPO vollen Kostenersatz leisten.
(Teil-)Zahlungen vor oder während des Gerichtsverfahrens ändern sowohl an der Beurteilung/Berechnung der „Überklagung“, als auch bei der Berechnung der jeweiligen Erfolgs- bzw. Obsiegensquote mit Ausnahmen von hier nicht näher erörterten Sonderfällen der vollständigen Anspruchserledigung nichts. Der Vorteil von vorzeitigen (Teil-)Zahlungen liegt aber darin, dass nur mehr ein geringerer Betrag gerichtsanhängig ist und somit der Ersatzpflichtige (anteilige) Kosten von einer geringeren Kostenbemessungsgrundlage (Streitwert) zu ersetzen hat bzw. auch die (anteilig) zu tragenden Eigenkosten (mangels anderslautender Honorarvereinbarung) geringer sind (siehe unten Beispiele 2 und 4).
Die Aufnahme der sinngemäßen Anwendung der neuen Kostenregelungen auch auf durch Jagdausübungsberechtigte beantragte Verfahren scheiterte am Widerstand der OÖ. Landwirtschaftskammer, nachdem auch zukünftig durch die Jägerschaft angestrengte Verfahren vermieden werden sollen. Im Zuge der Wildschadenkommissionsverhandlungen ist somit durch die Jägerschaft auf eine ordnungsgemäße Abhandlung und eine gerechte Entscheidung zu drängen (!). Durch die OÖ. Landwirtschaftskammer wird ein Beratungsdienst eingerichtet, um Geschädigte einerseits vor einer zukünftig kostenpflichtigen „Überklagung“ zu schützen, sie aber andererseits auch bei der Bemessung der berechtigt geforderten Ansprüche zu unterstützen.
Beispiele zur Änderung:
Beispiel 1: (keine Überklagung)
A begehrt einen Entschädigungsbetrag in Höhe von EUR 1.000,00. B als Jagdausübungsberechtigter bezahlt im Vorfeld des Gerichtsverfahrens keine Entschädigung. Gerichtlich werden A EUR 500,00 (die Hälfte) zugesprochen.
Ergebnis:
Der begehrte Betrag ist EUR 1.000,00, der festgestellte Betrag EUR 500,00.
Kostentragung nach § 43 Abs. 2 ZPO; B ist zum Ersatz der gesamten (streitwertunabhängigen) Kosten (Sachverständigen- und Zeugengebühren) verpflichtet und zum Ersatz der (streitwertabhängigen) Gerichtsgebühren und gegnerischen Kosten, aber nur auf Basis von EUR 500,00; eigene Vertretungskosten muss B selbst tragen;
Beispiel 2: (keine Überklagung)
A begehrt einen Entschädigungsbetrag in Höhe von EUR 1.000,00. B als Jagdausübungsberechtigter bezahlt im Vorfeld des Gerichtsverfahrens einen Betrag von EUR 300,00. A begehrt den aus seiner Sicht offenen Differenzbetrag in Höhe von EUR 700,00 bei Gericht, insgesamt aber EUR 1.000,00. Gerichtlich werden A noch EUR 200,00 zugesprochen.
Ergebnis:
Der begehrte Betrag ist EUR 1.000,00 (EUR 700,00 + Zahlung im Vorfeld EUR 300,00), der festgestellte Betrag EUR 500,00 (EUR 200,00 + Zahlung im Vorfeld EUR 300,00).
Kostentragung nach § 43 Abs. 2 ZPO; B ist zum Ersatz der gesamten (streitwertunabhängigen) Kosten (Sachverständigen- und Zeugengebühren) verpflichtet und zum Ersatz der (streitwertabhängigen) Gerichtsgebühren und gegnerischen Kosten, aber nur auf Basis der gerichtsanhängigen EUR 200,00; eigene Vertretungskosten muss B selbst tragen;
Beispiel 3: (Überklagung)
A begehrt einen Entschädigungsbetrag in Höhe von EUR 1.000,00. B als Jagdausübungsberechtigter bezahlt im Vorfeld des Gerichtsverfahrens keine Entschädigung. Gerichtlich werden A EUR 400,00 (weniger als die Hälfte) zugesprochen.
Ergebnis:
Der begehrte Betrag ist EUR 1.000,00, der festgestellte Betrag EUR 400,00. A hat sich überklagt.
Kostentragung nach § 43 Abs. 1 ZPO; A hat EUR 1.000,00 gefordert und EUR 400,00 (40 % seiner Forderung) erhalten, sodass er entsprechend seiner Erfolgsquote 40 % seiner einseitig finanzierten Barauslagen (Sachverständigen-, Zeugen-, Gerichtsgebühren) erhält bzw. an B 60 % der von B finanzierten Barauslagen ersetzen muss.
Bei den Vertretungskosten findet ein Kostenersatz auf Basis der jeweiligen Erfolgs- bzw. Obsiegensquote statt. A war mit 40 % erfolgreich, während B mit 60 % erfolgreich war (d.h. 60 % der Forderung abwehren konnte) -> 40 % – 60 % = – 20 %. A muss B 20 % seiner Anwaltskosten ersetzen, wobei die Kostenberechnung auf Basis des Streitwerts EUR 1.000,00 erfolgt.
Beispiel 4: (Überklagung)
A begehrt einen Entschädigungsbetrag in Höhe von EUR 1.000,00. B als Jagdausübungsberechtigter bezahlt im Vorfeld des Gerichtsverfahrens einen Betrag von EUR 300,00. A begehrt den aus seiner Sicht offenen Differenzbetrag in Höhe von EUR 700,00 bei Gericht, insgesamt aber EUR 1.000,00. Gerichtlich werden A noch EUR 100,00 zugesprochen.
Ergebnis:
Der begehrte Betrag ist EUR 1.000,00 (EUR 700,00 + Zahlung im Vorfeld EUR 300,00), der festgestellte Betrag EUR 400,00 (EUR 100,00 + Zahlung im Vorfeld EUR 300,00). A hat sich überklagt.
Kostentragung nach § 43 Abs. 1 ZPO; Gleiches Ergebnis wie bei Beispiel 3, nur der Kostenersatz von 20 % an B findet nur auf Basis des Streitwerts von EUR 700,00 statt.
Zusammenfassung
Die neue Kostenregelung im Wildschadenprozess führt bei der Anrufung des Gerichts durch den Geschädigten und einer „Überklagung“ (gerichtlich festgestellter Betrag erreicht nicht einmal die Hälfte des begehrten Betrages) zu einer wesentlichen Änderung, nämlich zum wechselseitigen Kostenersatz nach den Erfolgs- bzw. Obsiegensquoten. Erreicht der Anspruchsteller keinen Zuspruch, hat er an die Jägerschaft vollen Kostenersatz zu leisten.
An der grundsätzlichen Verpflichtung des Jagdausübungsberechtigten zum verschuldensunabhängigen Ersatz eingetretener Wildschäden ändert sich nichts. Ich rate „Kleinschäden“ – trotz geänderter Rechtslage zur Kostentragung – selbst bei Geltendmachung von vermeintlich überhöhten (über dem doppelten des tatsächlichen Schadens liegenden) Forderungen tunlichst ohne gerichtliche Auseinandersetzung zu regeln, zumal Prozesse durch Sachverständigengebühren und Vertretungskosten rasch unwirtschaftlich werden. Demgegenüber empfehle ich bei größeren vermeintlich überzogenen Schadensforderungen sofort nach Geltendmachung die Beiziehung eines Sachverständigen (Beweissicherung!) und eine rechtliche Beratung.
Angaben zum Autor
Mag. Walter Scheinecker ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Prof. Hintermayr & Partner in Linz. Er ist selbst Jäger und seit Jahren im Jagdrecht, insbesondere auch bei Wildschadensfällen beratend und vertretend tätig und hat den OÖ. Landesjagdverband bei den Verhandlungen zur Kostennovelle im Jagdgesetz rechtlich vertreten.