Die Wildkatze in Österreich – zurückgekehrt oder wiederentdeckt?
Noch vor 150 Jahren war die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) weit verbreitet. Heute ist sie in vielen Teilen Europas verschwunden, in Österreich wird sie in der aktuellen Roten Liste gefährdeter Tiere Österreichs immer noch als "ausgestorben, ausgerottet oder verschollen" geführt.
VERBREITUNG
Noch vor 150 Jahren war die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) weit verbreitet. Heute ist sie in vielen Teilen Europas verschwunden, in Österreich wird sie in der aktuellen Roten Liste gefährdeter Tiere Österreichs immer noch als „ausgestorben, ausgerottet oder verschollen“ geführt.
Durch die Einrichtung der Koordinations- und Meldestelle, die alle Wildkatzenmeldungen in Österreich sammelt und bewertet, und durch die Arbeit der Plattform Wildkatze gelang es, den Wissensstand über die Wildkatze in Österreich deutlich zu verbessern. Die Plattform Wildkatze ist eine Arbeitsgemeinschaft aus Naturschutzbund, Österreichischen Bundesforsten, Naturhistorischem Museum Wien, Zentralstelle der österreichischen Landesjagdverbände, Nationalpark Thayatal, Alpenzoo Innsbruck sowie Einzelpersonen.
Durch ihre zurückgezogene Lebensweise ist ein Nachweis der Wildkatze auch für Experten nicht einfach. Eine Methode erinnert sogar an kriminaltechnische Untersuchungen: Wo es Hinweise auf ein mögliches Vorkommen gibt, werden mit Baldrian besprühte Lockstöcke aufgestellt. Der Geruch soll Katzen anlocken und sie dazu animieren, sich am sägerauen Holz zu reiben und dort Haare zu hinterlassen, die dann genetisch untersucht werden können. Auch Wildkameras sind ein unersetzliches Hilfsmittel. In manchen Fällen werden sogar Hunde eingesetzt, die Wildkatzenkot aufspüren können.
Die wichtigsten Fragen sind, wo und wie viele Wildkatzen in Österreich vorkommen. Dazu werden verschiedene Bestandserhebungen durchgeführt. Auch Maßnahmen zum Schutz der Wildkatze und zur Verbesserung ihres Lebensraumes wurden initiiert. Diese Projekte finden in enger Kooperation mit der Jägerschaft, großen Waldbesitzern (z.B. den Österreichischen Bundesforsten oder den Esterházy Betrieben) sowie Naturschutzorganisationen und privaten Initiativen statt.
Die meisten aktuellen Nachweise (seit 2000) in Österreich stammen aus Niederösterreich und Kärnten. Auch aus den Bundesländern Steiermark, Burgenland, Oberösterreich und Tirol liegen Nachweise vor (siehe Karte).
Stellt man sich die Frage nach der Herkunft der Wildkatzen in Österreich, so ergeben sich mehrere Möglichkeiten:
Zuwanderung
Im italienischen Friaul gibt es eine wachsende Population, die sich seit einigen Jahren auch nach Norden ausbreitet, wodurch es offenbar zu einer vermehrten Zuwanderung nach Kärnten kommt. Die Lage der Fundorte in Kärnten deutet darauf hin, dass die Ausbreitung entlang der größeren Flusstäler erfolgt.
Die Etablierung von Kleinstpopulationen durch zugewanderte Tiere aus anderen Herkunftsregionen wäre auch im Nationalpark Thayatal, in der Wachau oder im Mühlviertel denkbar.
Autochthone Population
Möglich wäre es auch, dass die Wildkatze in Österreich nie ganz ausgestorben war und sich kleine autochthone Restpopulationen in wenigen Rückzugsräumen unbemerkt erhalten haben. Lange Zeit wurde nicht gezielt nach Wildkatzen gesucht, und Beobachtungen, getötete Tiere, Totfunde und dergleichen könnten nicht als Wildkatzen erkannt worden sein.
Freisetzungen und/oder Gehegeflüchtlinge
In Österreich gibt und gab es kein Wiederansiedelungsprogramm. Auch inoffizielle Freisetzungen von Wildkatzen sind keine bekannt. Das sporadische Auftreten der Wildkatze an weit auseinander liegenden Orten in verschiedenen Landesteilen spricht allerdings nicht dafür. Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass hie und da eine Wildkatze aus einem Gehege entkommen ist. Aber auch in einem solchen Fall wäre der Einfluss auf das Vorkommen der Wildkatze in Österreich ohne Relevanz geblieben.
LEBENSRAUM
Die Wildkatze ist vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv, ihre Lebensweise kann als scheu und heimlich charakterisiert werden.
In Mitteleuropa ist die Wildkatze eine waldbewohnende Art, die aber auch waldnahes Offenland zur Jagd nutzt. Sie bevorzugt reich strukturierte Lebensräume wie Übergänge zwischen Waldgebieten und extensiv genutztem Offenland (Wiesen, Weiden, verbuschtes Brachland), dichtes Gebüsch, lückiges Altholz, spaltenreiche Felsen und Blockwerk. Auch wenn Laub- und Laubmischwälder als für die Wildkatze besser geeignet gelten, kommt sie auch in reinen Nadelwaldgebieten vor. Entscheidend scheint in erster Linie das Vorhandensein einer deckungsreichen Kraut- oder Strauchschicht zu sein. Schläge, Windwürfe, Totholzansammlungen und naturnahe Bachläufe mit Begleitvegetation als Wanderkorridore sind wichtige Lebensraum-Elemente.
Die Wildkatze meidet Gebiete mit einer mittleren (durchschnittlichen) Schneehöhen von über 20 cm und mit einer lang andauernden geschlossenen Schneedecke. In Österreich hat sie daher im Alpenraum eine natürliche Arealgrenze, wobei Vorstöße entlang inneralpiner Täler vorkommen können, wie z.B. der Nachweis im Paznauntal zeigt. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung in Mitteleuropa kommen der Wildkatze vermutlich zugute.
Die Streifgebiete der Kuder sind deutlich größer (durchschnittlich 1.000 ha) als die der Kätzinnen (durchschnittlich 300 ha) und überlappen sich mit diesen.
BEUTESPEKTRUM
Bis ins frühe 20. Jahrhundert wurde die Wildkatze in Österreich als vermeintlich gefährliches Raubtier und „Schädling“ gnadenlos verfolgt und bis an den Rand der Ausrottung gedrängt. Zahlreiche Abbildungen und Texte aus dieser Zeit unterstellten der Wildkatze, neben Hasen, Fasanen und Raufußhühnern sogar Rehe und Rotwildkälber zu reißen. Heute wissen wir, dass das Nahrungsspektrum der Wildkatze ganz anders aussieht und sie in Mitteleuropa eine hochspezialisierte Jägerin von Kleinsäugern ist. Im Rahmen einer aktuellen Studie (2015) wurden die Mageninhalte von 152 Wildkatzen aus Deutschland analysiert. Insgesamt konnten 660 Beutetiere festgestellt werden. Den weit überwiegenden Anteil der Beutetiere stellten mit 87 % kleine Nagetiere – vor allem Wühlmäuse (Feldmaus, Rötelmaus, …) sowie sog. echte Mäuse (Waldmaus, Gelbhalsmaus, …) dar. Die zweithäufigste Beutetiergruppe waren Spitzmäuse. Alle übrigen Beutetiergruppen (Vögel, Reptilien, Amphibien, Insekten) fanden sich nur sehr vereinzelt. Feldhasen konnten bei insgesamt 660 Beuteindividuen überhaupt nur zweimal festgestellt werden. Größere Arten (Rehe, …) kamen gar nicht vor. Für Niederwild oder gar Haus- bzw. Nutztiere stellt die Wildkatze folglich keine Gefahr dar.
GEFÄHRDUNG
Die wichtigsten Mortalitätsfaktoren für die Wildkatze in Österreich stellen heute die Zerschneidung der Lebensräume und der Straßenverkehr dar.
In allen österreichischen Jagdgesetzen gilt die Wildkatze als ganzjährig geschonte Wildart. Allerdings ist nach allen Jagdgesetzen die Bejagung von streunenden Hauskatzen erlaubt. Vor allem bei flüchtigen Beobachtungen im Freiland bedeutet die Verwechslung von wildfarbigen Hauskatzen und Wildkatzen eine große Gefährdung der Wildkatze. Besonders dann, wenn es sich um kleine Populationen handelt, für die jedes einzelne Tier wertvoll ist. In Gebieten, in denen Wildkatzen vermutet werden, sollte daher auf den Abschuss von Katzen verzichtet werden.
Die Wildkatze ist in Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) genannt und gehört damit zu den europaweit streng geschützten Tieren.
Die Gefährdung der Wildkatze durch eine Hybridisierung mit Hauskatzen wird für Österreich als eher gering eingeschätzt. Die Übertragung von Krankheiten von Haus- auf Wildkatzen ist wahrscheinlich die größere Gefahr.
Möglicherweise ist die Wildkatze auch durch den Einsatz von chemischen Mitteln zur Bekämpfung von Nagetieren (Rodentiziden) betroffen.
UNTERSCHEIDUNGSMERKMALE WILD- UND HAUSKATZE
Grafik (Unterscheidung von wildfarbener Hauskatze und Wildkatze)
© Kranz/Molinari/Lapini, bearbeitet von Melde- und Koordinationsstelle Wildkatze (2014)
Die wichtigsten Merkmale zur äußerlichen Unterscheidung von Wildkatze und wildfarbiger Hauskatze sind:
- Der Körperbau der Wildkatze wirkt durch die etwas längeren Haare kräftiger.
- Die Grundfarbe des Fells ist bei der Wildkatze ocker-grau-braun, bei der Hauskatze eher silbergrau.
- Die Zeichnung an den Flanken ist bei der Wildkatze verwaschen und kontrastarm, bei der Hauskatze oft kontrastreich.
- Die Wildkatze hat vier charakteristische längere Streifen am Nacken und zwei parallele Streifen auf den Schultern sowie einen deutlichen Aalstrich am Rücken.
- Der Schwanz einer Wildkatze ist buschig und weist zwei bis drei voneinander abgesetzte (nicht verbundene) schwarze Ringe auf. Das dunkle Schwanzende ist stumpf.
- Der Nasenspiegel ist bei der Wildkatze immer fleischfarbig.
Eine 100%ig sichere Unterscheidung von Wild- und Hauskatze ist allerdings nur durch anatomische (Hirnvolumen, Darmlänge, Unterkiefer) oder genetische Untersuchungen (z.B. Haare, Kot) möglich.
Die Hauskatze stammt übrigens nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von einer anderen Unterart der Wildkatze, der Afrikanischen und Vorderasiatischen Falbkatze (Felis silvestris lybica). Diese wurde erst von den Römern nach Europa gebracht.
Fotos von Wildkameras oder direkten Sichtungen, die mögliche Wildkatzen zeigen, sind wertvolle Informationen, die dazu beitragen, mehr über die Wildkatze in Österreich zu erfahren. Sämtliche Zusendungen an die unten angeführte Meldestelle werden vertraulich behandelt und nicht weitergegeben.
In Kasten:
AUFRUF: Wildkatze gesucht – der scheuen Jägerin auf der Spur
Früher über weite Teile Österreichs verbreitet, verschwand die Europäische Wildkatze Mitte des letzten Jahrhunderts aus den heimischen Wäldern. Abgesehen von vereinzelten Hinweisen, ist kaum etwas über die gegenwärtige Situation der Wildkatze in Österreich bekannt. Die Plattform Wildkatze möchte mit Ihrer Hilfe mehr über den Bestand dieser scheuen Jägerin in Österreich erfahren.
Bitte melden Sie uns Ihre Wildkatzenhinweise:
www.wildkatze-in-oesterreich.at
(Sie können ihre Wildkatzensichtung direkt in ein Formular eintragen)
Text und Fotos: von Peter Gerngross
KONTAKT
Mag. Peter Gerngross
peter.gerngross@biogeomaps.eu
www.biogeomaps.eu
Koordinations- und Meldestelle Wildkatze, Plattform Wildkatze, c/o | naturschutzbund | Österreich:
Ingrid Hagenstein (Leitung), Magdalena Meikl MSc (Meldungen)
Tel.: 0043 / (0)662 64 29 09-13
wildkatze@naturschutzbund.at
Umfassende Informationen zur Wildkatze in Österreich: www.wildkatze-in-oesterreich.at