Monitoring des Streifverhaltens von Hauskatzen

Monitoring des Streifverhaltens von Hauskatzen, OÖ LJV

Mittels USB-Datenlogger - Eine vorwissenschaftliche Arbeit am BRG Schloss Wagrain; Text und Fotos: Lukas Humer und Dr. Roman Auer

 

Die Hauskatze ist wohl das beliebteste Haustier des Menschen. Durch ihre Anspruchslosigkeit und Selbständigkeit eignet sie sich als Haustier auch für Menschen, die nicht ständig zuhause sind. Doch die Katzenhaltung verursacht zunehmend Probleme – vor allem im Hinblick auf den Artenschutz. 

 

Einer Schätzung zufolge wird in 819.200 aller österreichischen Haushalte mindestens eine Katze gehalten. Insgesamt dürften rund 1,3 Millionen Hauskatzen im Bundesgebiet mehr oder weniger nahe im menschlichen Umfeld leben (vgl. ORF, 2012). Mit Ausnahme von innerstädtischen stark verkehrsbelasteten Arealen ist ein Großteil der Katzen nicht permanent in menschlicher Obhut, sondern frequentiert mehr oder weniger große Streifgebiete. Die größten Dichten von sogenannten Freigängerkatzen sind demnach in der Peripherie der urbanen Siedlungsräume in Wohngebieten des ländlichen Raumes zu verzeichnen. Der Trend zum Eigenheim im Grünen bringt die für Österreich typische Zersiedelung der Landschaft mit sich, mit dem Nebeneffekt einer zunehmenden Verzahnung der Siedlungsgebiete mit dem landwirtschaftlich geprägten Umland. Die Grenzen zwischen Park-, Kultur- und Naturlandschaft werden dadurch immer diffuser und weder von Haus- noch von Wildtieren als solche erkannt. In der Folge werden Gartenanlagen von Kulturfolgern wie Rehwild oder Hasen genutzt – unter Umständen nicht ohne Schäden zu verursachen – bzw. streifen Haustiere wie Hunde und Katzen in den Wildtierhabitaten umher – ebensowenig ohne Konsequenzen (Abb. 1).

 

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Abb.1: Freilaufende Hauskatzen können vor allem in dicht besiedelten Gebieten Wildtierpopulationen nachhaltig beeinflussen.

 

Eine vorwissenschaftliche Arbeit am BRG Schloss Wagrain hat exakt diese nicht unproblematische Beziehung zwischen Haus- und Wildtier im Fokus. Ziel der Arbeit war es, herauszufinden, wie weit Freigängerkatzen in potentielle Wildtierhabitate eindringen bzw. mit vorhandenen autochtonen Biozönosen interagieren.

 

Methode

Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, wurden 30 Katzen ausgewählt, die regelmäßig – vorwiegend nachts – Freigang bekamen und sich individuell bewegen konnten, es also gewohnt waren durch bereits bestehende Reviere – sogenannten homeranges – zu patrouillieren. In der Regel am Morgen bzw. frühen Vormittag kehrten sie in die menschlichen Behausungen zurück, wo sie mit handelsüblichem Katzenfutter versorgt wurden. In einer je nach Individuum unterschiedlich langen Initialphase wurde das Tier an ein Halsband gewöhnt. Erst nachdem die Katze selbiges akzeptierte und keine Versuche mehr unternahm es abzukratzen, wurde die Holzattrappe eines Datenloggers in entsprechender Dimension am Halsband befestigt (Abb. 2).

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Abb. 2: Mit einer Holzattrappe wurden die Katzen an das Tragen des GPS Datenloggers gewöhnt.

 

Sobald keine Irritationen im Verhalten der Katze mehr zu beobachten waren, wurde die Attrappe durch einen GPS-Datenlogger ersetzt. Unmittelbar vor dem Verlassen des Hauses wurde der Empfänger eingeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt wurde je nach herrschender Außentemperatur bis zu 14 Stunden lang in Minutenintervallen die Position des Tieres auf dem Datenträger aufgezeichnet. Nach der Rückkehr des besenderten Tieres wurden die gespeicherten Daten in den Computer eingelesen und ausgewertet. Neben der Gesamtgröße des Streifgebietes konnten individuelle Präferenzen im Streifverhalten analysiert werden. Im maximal gezoomten Satellitenbild konnten auch Rückschlüsse auf Biotopstrukturen gezogen werden. Diese erlaubten eine Interpretation, wie weit Kontakte mit Wildtieren potentiell möglich waren (Abb. 3).

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Abb. 3: Die aufgezeichneten Bewegungsmuster erlaubten Rückschlüsse auf eine mögliche Beeinflussung der Wildtierpopulationen durch die jeweiligen Katzen. (Quelle: GoogleEarth)

 

Ergebnisse

Entgegen der Erwartungen gab es bei den untersuchten Katzen keine signifikanten geschlechtsspezifischen Zusammenhänge in Bezug auf die Flächendimension ihrer homeranges. Zwar wurde mit 3,80 ha die größte pro Nacht durchwanderte Fläche  bei einem männlichen Tier registriert, die nur unwesentlich kleineren Streifgebiete von 3,03 ha bzw. 2,42 ha wurden aber von weiblichen Tieren frequentiert. Demgegenüber standen von je einem Kater und einer Katze frequentierte Streifgebiete von lediglich 0,23 ha bzw. 0,14 ha Ausdehnung. Die arithmetisch mittlere Größe eines nächtlichen Streifgebietes lag bei 1,50 ha. Aus den Abbildungen 3-5 ist ersichtlich, dass die jeweiligen Streifgebiete nicht gleichmäßig frequentiert wurden, sondern zoniert waren.  Vor allem im unmittelbaren Umfeld des menschlichen Refugiums zeigten die aufgezeichneten Mobilitätsnachweise deutlich dichtere Strukturen, während in der Peripherie der Reviere die Linien der nachgewiesenen Bewegungen wesentlich spärlicher vorlagen. Fast alle Mobilitätsanalysen zeigten ein ähnliches Bild diesbezüglich, dass die Wege im Zentralbereich des Reviers im beobachteten Zeitraum mehrmals bis häufig frequentiert wurden, die der Peripherie meist nur einmal pro Nacht. Diese Bewegungen am Rand der homerange verliefen auffallend linear mit lediglich kleinen Seitenbewegungen von wenigen Metern. Interessant scheint auch die Tatsache, dass die durchwanderte Fläche und die dabei zurückgelegten Wege nicht korrelieren. So durchstreifte ein Kater z.B. ein Gebiet von 3,80 ha, legte dabei aber nur 5,61 km zurück, während ein zweites Männchen in seinem nur etwa ein Drittel so großen Revier 15,15 km, also die dreifache Wegstrecke zurücklegte. Ein weiterer Kater suchte sein Kleinareal von 0,8 ha sehr genau ab und zeichnete dabei 8,78 km auf.

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Abb. 4: Die Streifzüge außerhalb der deutlich sichtbaren Kernzone verliefen auch durch interessante Kleintierhabitate. (Quelle: Google Earth)

 

Diskussion

Die Analyse des Mobilitätsverhaltens der untersuchten Hauskatzen verdeutlichte, dass die Tiere zwar grundsätzlich die menschliche Nähe bevorzugten, sich in individuell unterschiedlichen Dimensionen  durchaus aber auch aus dem unmittelbaren menschlichen Umfeld distanzierten. Alle besenderten Katzen führten neben regelmäßigen Revierinspektionen, speziell im Zentrum der Territorien, auch zum Teil weitläufige Exkursionen in die Peripherie der Reviere durch. Speziell auf diesen weitgehend linearen Wanderungen besuchten die Tiere vermehrt abwechslungsreich strukturierte Flächen wie Hecken, Waldränder oder Parkvegetation auf. Der Eindruck, dass diese Streifzüge nicht ausschließlich zum Abstecken der Reviergrenzen, sondern vielmehr aus beuteorientierten Gründen durchgeführt wurden, wurde durch die zahlreichen Abstecher in dichtere Vegetationsbereiche verstärkt (Abb. 4). In den stark strukturierten Vegetationsbereichen liegen in der Regel die Schlafplätze von bodennahe lebenden Kleinvögeln wie Rotkehlchen, Zaunkönig, Heckenbraunelle, Buchfinken oder Amsel (vgl. Thiel, 2011). Auch Kleinnager halten sich dort bevorzugt auf. Diese Spezies entsprechen dem Beuteschema der Hauskatze.

 

Generell ist zu vermerken, dass aus der periodischen Anwesenheit von Katzen in den bodennahen Habitaten eine nachhaltig negative Beeinflussung einzelner autochtonen Vogel- und Kleinsäugerpopulationen anzunehmen ist. Eine selektive Störung der Biodiversität durch Freigängerkatzen ist dadurch ebenfalls zu befürchten. Vor allem in den Randzonen der Städte und Siedlungsgebiete sorgt die hohe Dichte freilaufender Hauskatzen für einen erheblichen Prädationsdruck  in den Übergangsbiotopen zwischen Park- und landwirtschaftlich geprägter Kulturlandschaft (vgl. Kistler et al., 2013, S.8). Davon betroffen sind nicht nur die Kleinvogelfauna, sondern auch größere Wildtiere – vorwiegend in der Reproduktionszeit. Katzen sind Nahrungsgeneralisten. Ihr Beutespektrum reicht bis zur Größe eines Junghasen. Für bodenbrütende Kulturfolger wie Rebhühner, Fasane oder Wachteln, die gerne Hecken und Gartenbegrünung als Deckung nutzen, ist die Katze demnach als wesentlicher limitierender Faktor einzustufen.

 

Neben einzelnen Tieren, die innerhalb des Beobachtungszeitraumes regelmäßig Revierpatrouillen durchführten, gab es aber auch Katzen, die trotz nahe gelegener Wildtierbiotope (Feldraine, Hecken, Waldränder) diese offensichtlich nicht nutzten (Abb. 5). Ursachen, warum diese Tiere sich mit einem relativ engen Aktionsradius begnügten und im unmittelbaren Umkreis menschlicher Behausungen blieben, konnten in dieser Arbeit nicht eindeutig dokumentiert werden. Studien zufolge sind die Reviere von Hauskatzen in menschlicher Obhut deutlich kleiner als die von verwilderten streunenden Tieren und können durchaus weniger als 1ha Ausdehnung aufweisen (vgl. Hackländer, 2015). Diese Zahlen decken sich mit den aktuellen Beobachtungen der untersuchten Katzen.

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Abb. 5 Nicht alle Katzen frequentierten ihr Umland gleichermaßen. Manche berührten die Habitate von Wildtieren kaum. (Quelle: Google Earth)

 

Resümierend konnte die vorliegende Arbeit an 30 handzahmen Hauskatzen visualisieren, dass freilaufende Tiere in urbanen und siedlungsnahen Wildtierbiotopen nicht zuletzt aufgrund der Eigenschaft als Beuteopportunisten lokal einen erheblichen Prädationsdruck auf kleine Wirbeltiere, insbesondere Vögel und Kleinsäuger ausüben können. Die Analyse der Streifzüge durch die Reviere via GPS-Aufzeichnungen kombiniert mit der Vielzahl von im Beobachtungszeitraum vorgelegten Beutestücken, vom Rotkehlchen bis zur Feldmaus, unterstützen diese These. Demgegenüber dürfte eine Einwirkung durch domestizierte Hauskatzen auf Wildtierpopulationen im weiteren Umland zwar durchaus vorhanden und registrierbar sein, ob diese aber für Populationen existenzgefährdende Dimensionen erreichen kann, müsste in detaillierteren Studien geklärt werden. Faktum ist, dass einzelne Individuen der beobachteten Katzen sehr wohl Streifzüge in die Wildtierbiotope unternahmen, diese aber wegen ihrer hohen Affinität zum menschlichen Heim nur sporadisch und in relativ geringer Distanz durchführten. Mit Sicherheit üben sie damit einen Prädationsdruck auf alle Spezies aus, die ihrem Beutespektrum entsprechen. Ob sie diesbezüglich aber als wesentlicher limitierender Faktor eingestuft werden können, gilt es noch zu diskutieren.

 

Unbestritten erscheint hingegen eine intensive Einwirkung der Hauskatzen auf die Kleintierfauna in menschlichen Siedlungsgebieten – potenziert durch die hohe Dichte. Im Sinne des Artenschutzes wäre es daher sehr wichtig, diese negative Auswirkung der Heimtierhaltung aufzuzeigen und den KatzenliebhaberInnen durch geeignete Information deren hohe ökologische Verantwortung vor Augen zu führen.

 

 

Literatur

Hackländer, K. (2015). Die Hauskatze. Ein Problem für den Artenschutz? In: Der OÖ Jäger. Informationsblatt des OÖ Landesjagdverbandes. September 2015. S. 31-40.

 

Kistler, C., Gloor, S. & Tschanz, B. (2013). Hauskatzen und Wildtiere im städtischen Umfeld – Übersicht über die aktuelle wissenschaftliche Literatur. SWILD, Zürich im Auftrag des Zürcher Tierschutzes, Zürich

 

N.N., 2012.

orf.at. [Online] Available at: http://oesv1.orf.at/stories/93935 [Zugriff am 13 10 2015].

 

Thiel, D. (2011). Hauskatzen in der Natur: ein Problem? [Online] Available at: http://www.ag.ch/umwelt-aargau/pdf/UAG_52_35.pdf Zugriff am 29.10.2015

   
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